Lieber Ingo,ich kann es immer noch gar nicht begreifen. Im Angesicht des Schocks über die Plötzlichkeit und Härte, mit dem die furchtbare Nachricht einen trifft, wirkt alles, was man jetzt sagen oder schreiben könnte, so leer und sinnlos. Alles, was man sonst so an dringlichen Themen hatte, verblasst auf einmal zur Banalität. So sitzt man sprachlos vorm Rechner, liest, was andere dazu schreiben, hört "Northwest Passage" von "Unleash the Archers" in Gedanken an dich in Dauerschleife, klickt sich durch alte Fotos von Vor-Corona-Ereignissen und denkt zurück an die letzten Kontakte, die man miteinander hatte. Und man sucht verzweifelt nach Worten, für etwas, für das es gar keine passenden Worte gibt.
Zuletzt hatten wir PN-Kontakt über einen Slay-Artikel, es ging um das Gegenchecken des Interviews zum Projekt Kreativ-ADHS. Es ging etwas hin und her, ein paar Ein- bis Zweizeiler zwecks Autorennennung und so weiter. Im Nachhinein wünsche ich mir, ich hätte nicht nur eine PN geschrieben, sondern angerufen. Einfach mal ein bisschen quatschen. Haben wir doch früher auch gelegentlich mal gemacht. Nicht oft, aber es kam vor. Die Slay ist ja sowieso ein gutes Stichwort. Ohne dich hätte nicht nur ich die Slay niemals "übernommen", sondern das ganze Fanzine hätte es gar nicht gegeben. Das ist schon krass.
An dieser Stelle frage ich mich: Wie hatten wir uns damals eigentlich kennengelernt? Irgendwie war es dazu gekommen, dass du im Herbst 2016 ein unsichtbares Unterboard im Greifenklaue-Forum namens "Agoniras DS-Werkstatt" eingerichtet hattest. Darin waren die Sturmelfen für den Community-Adventskalender ersonnen und von dir, Siggi und Constantin fleißig lektoriert worden. Wie andere es schon schrieben: Was du echt gut drauf hast, ist, andere Leute mit ein paar gezielt platzierten Fragen in ihrer Kreativität zu bestärken, Ideen zu fördern und zu Eigeninitiative zu motivieren. So kam es, dass in den wenigen Wochen, die bis zur Einreichefrist des Adventskalender verblieben, nach und nach weitere Fanwerke zur Insel der Stürme entstanden sind. Ohne einen Mentor wie dich, lieber Ingo, wäre das höchstwahrscheinlich nicht so gekommen. Ja, du warst für mich damals ein echter Mentor. Ein Vorbild und Unterstützer zugleich. Ich habe dich sehr bewundert.
Keine sechs Monate später kam die Diskussion auf, wie es mit der Slay weitergehen könnte. Und wieder hast du als Initiator fungiert, hast einen Rahmen für die Redaktion gegeben, ohne dich vorzudrängen, hast Ideen beigesteuert und Möglichkeiten aufgezeigt, ohne etwas vorwegzunehmen. Stundenlang haben wir über slayrelevante Themen getextet und auch geredet. Die Fachsimpelei mit dir und Siggi hat mir nie so gefehlt wie jetzt. Später suchte ich mir zwar neue Mitstreiter für die Redaktionsarbeit, da du stark in andere Projekte eingespannt warst, doch was wir beide damals als Konzept für die Slay aufgestellt haben, hat für mich noch immer einen unanfechtbaren Charakter. So bist du für die Slay mehr als nur zweifacher Initiator. Deine Vorstellungen leben in dem Projekt weiter, selbst nachdem du es verlassen hast. Und selbst, nachdem du nun
uns verlassen musstest.
Gerne erinnere ich mich an jedes einzelne Event zurück, zu dem wir uns live und nicht nur am Rechner gesehen haben. Die vier Slayventions natürlich, das ist klar. Zu meiner ersten Slayvention 2017 gab es gleich drei Überraschungen: Ein riesiges Poster zur damals zum ersten Mal als Printversion herausgebrachten Slay. Du und Siggi hatten mich außerdem still und heimlich als "Ehrengrenzer" in euren DS-Club Grenzlandslayer aufgenommen und direkt ein Grenzlandslayer-T-Shirt mitgebracht. Den Titel des Ehrengrenzers habe ich seitdem nie abgelegt, er ziert noch immer mein Forenprofil. Und nicht zuletzt hattest du mir sogar ein Hochzeitsgeschenk mitgebracht. Das hat mich damals wirklich überrascht und ehrlich gefreut. Das Spiel "Witness Blake & Mortimer" hat seitdem einen Ehrenplatz im Brettspielschrank und wird bei Spieleabend immer wieder mal angeboten. Ich mag es sehr gerne, die notwendige Knobelei zum Lösen der Szenarien stößt aber leider nicht immer auf Gegenliebe bei den Mitspielern. Wahrscheinlich ohne es damals zu ahnen, hast du mit einem kooperativen Rätselspiel genau meinen Nerv getroffen. Bei der nächsten Gelegenheit wird es nicht nur angeboten werden, sondern ohne wenn und aber auch mal wieder gespielt - mindestens dir zu Ehren!
Ende 2018 hatten wir dich dann sogar zuhause besucht. Es war kein langer Besuch, wir waren aber auf der Durchreise ohnehin in der Nähe und hatten ein paar Stunden Zeit. Zu der Gelegenheit hattest du uns Haus Wetterstein vorgestellt. Denn du und ich hatten damals schon große Pläne gehegt: Besonders gerne erinnere ich mich an das Grenzlandthing im Mai 2019. An dem Wochenende in Haus Wetterstein hattest du damals auch ein wenig von dir, deiner Familie und deiner Jugend erzählt. Mein Insel der Stürme-Rätseldungeon, an dem später im gleichen Jahr sogar eine doppelt so stark besetzte Gruppe auf der Slayvention scheitern sollte, hattest du mit Feuereifer gelöst. Nicht zuletzt, weil wir neben dem viel zu stark feuernden Ofen saßen und nur bei sperrangelweit geöffneten Fenstern überhaupt in diesem Zimmer überleben konnten!
Im Dezember 2019 folgte dann der Slayday in Hankensbüttel. Eigentlich hatten wir vorgehabt, jedes Jahr ein bis zwei derartige Veranstaltungen zu planen. Auch ein Treff in Dresden war schon angedacht. Doch dann kam bekanntermaßen Corona und machte einen Strich durch unsere Pläne. Ich bereue sehr, meine fixe Idee nach der geglückten Slayvention dieses Jahr, man könne zeitnah mal wieder ein Grenzlandthing veranstalten, nicht energischer verfolgt zu haben. Zur Hallunkencon, zu der du mich eingeladen hattest, konnte ich leider nicht kommen, weil ich noch mit den Folgen eines familiären Todesfalls konfrontiert war. So bleibt als aktuellste Erinnerung nur die diesjährige Slayvention.
Auf der diesjährigen Slayvention hatte ich die Ehre, dir im Rahmen einer Testrunde DARC vorstellen zu dürfen. Auch hier konnten wir im Anschluss wieder herrlich fachsimpeln - wie in alten Zeiten! Natürlich haben wir auch über die Slay und ihre Printversion gesprochen und wieder fleißig Pläne geschmiedet. Was wird nun, ohne dich? So viele Fragen bleiben offen, so viele Projekte verlieren ihren starken Unterstützer oder gar Initiator. Und die drängendste Frage "Warum nur?" wird wohl letztendlich ungeklärt bleiben.
Ich denke in diesem Moment an all diejenigen, die Ingo noch viel fester im Herzen tragen und sein Fehlen noch viel alltäglicher wahrnehmen, ganz besonders seine Schwester und Eltern.
Liebe Schwester und Eltern von Ingo, in ganz Deutschland und darüber hinaus hatte Ingo zahlreiche begeisterte Freunde, Bekannte und Fans. Die Trauer kann das zwar nicht schmälern, aber wisset, ihr seid damit nicht allein! Wir können uns nur im Entferntesten ausmalen, wie es für euch sein muss, aber wir stehen euch in Gedanken bei!
Lieber Ingo, fühl dich ein letztes Mal ganz fest ge-abschieds-knuddelt.
Wie zur letzten Slayvention und das dann 2W20 Mal stärker.
Nice dice!Sarah