Moin!
Ich habe neulich ein Video geschaut, welches mich stark ins Grübeln brachte.
https://www.youtube.com/watch?v=zYlLTtS-tfQ&t=2m13sZusammengefasst: Die Idee von Frieden als politischer "Naturzustand" ist in Frage zu stellen. Konflikte, nicht Konsens zwischen politischen Akteuren sind die Norm. Frieden ist die Ausnahme, die Pause vom üblichen Kriegstreiben. Nur durch enorme Anstrengungen und den Einsatz mächtiger Persönlichkeiten oder Organisationen kann für einige Zeit ein empfindliches Gleichgewicht geschaffen werden, indem politische Konflikte und Schwierigkeiten nicht mit Gewalt gelöst werden. Frieden hat einen Preis. Frieden ist künstlich, menschengeschaffen, nicht natürlich.
Dieser Perspektivenwechsel unterscheidet in meinen Augen eine etwas naivere Märchen-Fantasywelt von politisch glaubwürdigeren Settings wie Game of Thrones oder Birthright.
In vielen Regionen Caeras schwelen auch entsprechende Konflikte, die zur zweiten Sichtweise gut passen. In Kait wütet die Rebellion. Gilien kann den Bürgerkrieg nur mit Magie unterbinden. Wyndland kämpft mit übernatürlichen Plagen und den Nachbarn. Shan`Zasar scheint die Knute der Mumienfürsten immer noch nicht ganz abgeschüttelt zu haben.
Nicht so in den Freien Landen, den ressourcenreichen Kernprovinzen des gefallenen Imperiums. Konflikte aufgrund von sozialen und religiösen Differenzen haben das Reich aus dem inneren heraus zerrissen... und ebbten dann unerklärlich ab. Niemand versuchte, das Machtvakuum zu füllen. Keiner erhebt Anspruch auf die vielen schlecht geschützten, autonomen Landprovinzen und Mikro-Stadtstaaten, die scheinbar alle in einträchtiger Harmonie mit ihren Nachbarn koexistieren. In den größeren Städten hat sich eine neue Oberschicht von Geldadel gebildet, der aber scheinbar geopolitisch keine Ambitionen hegt. Wo sind die Borgias und Medicis von Vestrach und Sturmklippe? Auch die Unruhe aufgrund vertikaler Unterschiede, die die Freikriege einmal anheizte, scheint im Schatten "moderner" Handelsmagnaten nicht wieder aufzuflammen.
Die Freien Lande funktionieren (bis auf wenige, konservative Problemfälle) überwiegend demokratisch und sind ein Land der Freidenker, was vor allem mit der Geschichte um Gorma und den Freikriegen zusammenhängt.
In kleineren Gemeinden (aso nicht Städten wie Vestrach) gibt es jeweils einen sogenannten Vaestwart (die Leben dann auch meist in den alten VFestungen), Amtszeiten unterscheiden sich von Ort zu Ort (manche dürfen den Amttitel noch an Anlehnung an alte, feudale strukturen weitervererben - wenn niemand "Veto!" schreit.
Gab es am Ende des Feudalsystems in den Freien Landen keine blutigen Konkurrenzkämpfe zwischen den Revolutionsfraktionen, sie historisch üblich waren? Wieso nicht? Für eine Gesellschaft von Freidenkern scheint die Bevölkerung zur Gesellschaftsstruktur erstaunlich einig zu sein. Unfrieden gibt es nur von einer vernachlässigbaren, reaktionären Minderheit.
Der größte Problemfall ist das streng konservative, kronentreue Gardburd und man munkelt, der "Bund der Krone", der das alte Gorma wieder etablieren will, hat hier seine Mainbase.
Wer einfach EDO-Fantasy ohne Feudalstrukturen haben möchte, weil er sich für politische Zusammenhänge wenig interessiert, der ist mit den Freien Landen nach Status Quo sicher gut bedient. Für Dungeonslayers-Spieler mag das die Überzahl sein.
Für alle anderen gibt es in meinen Augen einen relativ einfachen Patch, den ich für meine angedachte Kampagne verwenden werde:
Die Freikriege wurden niemals beendet!Und so könnte das im Detail aussehen:
Das Königshaus ist zwar seit langem ausgelöscht und die kommerziellen Zentren Vestrach, Sturmklippe und Kornheide/Westheim sind fest in den Händen der Bourgoisie, aber auf dem Land sind die Verhältnisse alles andere als klar. Viele alte Landadelsgeschlechter halten ihre Stammhäuser mit ehrlicher Unterstützung oder auch Zwang der Bevölkerung. Der Kronenbund mag in Sturmklippe als Geheimbund agieren – in der Gardburg wie andernorts wehen offen die Banner von Neugorma.
Zusätzlich haben sich einige Rädelsführer und Söldnerkommandanten der Revolutionsverbände ebenfalls ihr Stück vom Kuchen gesichert und bilden eine neue, kriegerische Oberschicht in einigen Dörfern. Die kommerziell orientierten Führungsräte von Vestrach und Sturmklippe nehmen die Situation pragmatisch. Solange die Handelsrouten offen bleiben, duldet man auch lokale Despoten.
Überhaupt scheint sich die meriokratisch bis oligarchische Führung der beiden Platzhirsch-Stadtstaaten mehr auf ihre kommerzielle Vormachtstellung als auf weitreichende, demokratische Reformen zu konzentrieren. Ein empfindliches Gerüst aus Verträgen und Abkommen verhindert den offenen Konflikt, aber in den Provinzen tobt teilweise ein blutiger Stellvertreterkrieg.